von Heike Diederich
Im Jahre 1807 kam wohl der erste evangelische Bürger nach Hermeskeil. 1849 waren es schon 86, die zwar zur Trierer Gemeinde gehörten, aber vom Züscher Pfarrer Geibel versorgt wurden, der zunächst einmal in der Woche eine Bibelstunde in den Räumlichkeiten des Amtsgerichts abhielt. Nach einem Jahr wurde es aufgrund heftiger Proteste notwendig, einen anderen Raum zu finden. Unterstützt durch den evangelischen Hermeskeiler Amtsbürgermeister Alexander Rudolf Gottlob von Konarsky (1812-1855) erwarben einige Hermeskeiler Familien 1844 den Bauplatz an der Straße nach Nonnweiler und stifteten ihn zum Bau einer evangelischen Kirche.
Am 14. Juni 1852 wurde der Grundstein gelegt und bereits am 16. November 1853 konnte die Einweihung gefeiert werden. Die Kirche erhielt schon 1853 ihre drei Gussstahlglocken, das älteste Stahlgeläut Deutschlands. Seit 150 Jahren kündigen die Glocken an, dass Gott in unserer Welt gehört werden will und laden zum Gottesdienst ein. Zu jedem Gottesdienst außer an den Kartagen läuten die Glocken. Sie läuten am Sonntag und am Werktag, zu Trauungen, Taufen und Beerdigungen.
In ihren 150 Lebensjahren ist die Kirche mehrfach renoviert worden. Sie wurde den Erfordernissen der wachsenden Gemeinde und den liturgischen Bedürfnissen immer wieder angepasst. Die Kirche erhielt eine Orgelempore, ein Turmhelm wurde aufgesetzt, eine Sakristei angebaut, die Kirchenfenster wurden verändert, und zwei Fenster wurden mit biblischen Motiven des Malers Jakob Schwarzkopf (1926-2001) gestaltet. 1994 baute der Schweizer Orgelbauer Kurt Lifart eine neue Orgel.
Die letzte Renovierung datiert aus den Jahren 2001/2002. 2001 wurde eine vollständige Außenrenovierung durchgeführt. Seither präsentiert sich die Kirche in einem farblichen Dreiklang aus hellem Beige, zartem Gelb und zwei Grautönen. In seiner hellen Freundlichkeit will das Farbkonzept den menschenfreundlichen und zugewandten Gott symbolisieren.
Der Kirchenraum
Durch Entfernung der dunklen Holzdecke, die in den 70er Jahren unter die alten klassizistischen Kassetten eingezogenen worden war, erhielt der Raum nicht nur seine ursprünglichen Proportionen zurück, sondern auch die einem klassizistischen Festsaal eigene Helligkeit und Erhabenheit. Auch die lange zugedeckten Widmungssprüche kamen wieder zum Vorschein. Die Worte aus Johannes 8, 14, die an der Stirnwand der Kirche zu lesen sind: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben. stellen das Leitmotiv des Raumes dar. Joh 5, 24 und Joh 8,36 sind die weiteren umlaufenden Schriftworte. Sie handeln von Jesus Christus, dem Herrn der Kirche und Herrn der Welt. In einer Zeit fehlender Leitbilder und mangelnder ethischer Orientierung war ein wichtiges Anliegen, auf Christus zu verweisen und ihn zu bekennen. Gott zeigt seiner Gemeinde durch Jesus Christus den geöffneten Himmel. Daran werden wir erinnert, wenn wir nach oben schauen.
Gelungene Kirchenräume wollen nicht Wohnzimmerbehaglichkeit schenken – das tun unsere Wohnzimmer besser. Sie nehmen die Alltagswirklichkeit der Menschen auf und geben der menschlichen Sehnsucht nach dem geöffneten Himmel eine Heimat. Gott lässt sich nicht an einen Ort binden, aber er verbindet sich mit Orten, an denen er uns begegnen will. Wir leben hier in dieser Welt mit allem Grauenhaften, das ihr eigen ist und allem Wunderbaren. Wir sind eben noch nicht im Festsaal Gottes angelangt, aber wir sehen hier schon den Abglanz der Lichter und hören ahnungsvoll die Musik. Der Raum hält die Hoffnung auf Vollendung in der Gegenwart Gottes offen und ermöglicht der Gemeinde zugleich im Hier und Jetzt zu leben und zu feiern.
Der Taufstein
Hier findet die Taufe statt, die die Zugehörigkeit zur Festgesellschaft begründet, die Zugehörigkeit zur Kirche Jesu Christi. Der Taufstein ist rund und symbolisiert die Ewigkeit. In den Stein ist ein Bronzeeinsatz eingelassen, der kreuzförmig auf dem Stein aufliegt, ohne Anfang und ohne Ende wie die Liebe Gottes. Das Taufbecken ist der Ort, an dem Gott seinen Bund mit jeder und jedem einzelnen schließt.
Der Altar
Um den Altar, den Familientisch der Gemeinde Jesu Christi, versammelt sich die Gemeinde zur Feier der Gemeinschaft miteinander und mit Gott, zur Feier der Versöhnung und zum Dank für ihre Erlösung durch den Tod Jesu und Vorwegnahme des himmlischen Mahls. Deutlich sind die vier Tischbeine zu erkennen. Deutlich ist auch, das der Tisch der Gemeinde auf dem Kreuz steht, auf dem Kreuz, auf das aber immer wieder Licht fällt. Gott hält seine Zusagen. Hier wird das Leitmotiv des Raumes noch einmal in seinem zentralen Gegenstand aufgenommen: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.
Die Kanzel
Die Kanzel ist der Ort der Wortverkündigung. Von hier aus will die Gemeinde angesprochen und ermutigt werden. Das Wort Gottes will verkündigt und gehört, verstanden und umgesetzt werden. Hier ist die Bronze des Taufbeckens noch einmal aufgenommen.
Alle Prinzipalstücke (Altar, Taufstein und Kanzel) sowie der Fußboden sind aus vulkanischem Trachyt gefertigt, der so nur im Westerwald vorkommt. Das besondere ist seine Maserung, die Baumscheiben gleicht. Die Lebensringe eines Baumes werden gerne mit dem menschlichen Leben verglichen. Die Prinzipalstücke wurden von dem Bildhauer Hans Rams aus Niederbreitbach / Neuwied gefertigt.
Die Orgel
Durch die neue Deckenform wurde eine Anpassung des Gehäuseprospekts notwendig, die vom Orgelbauer selbst durchgeführt wurde. Der Pfeifenprospekt ist erhalten geblieben. Nach der Deckenrenovierung hat sich die Akustik der Kirche enorm verbessert, sodass das erstklassige Instrument erst jetzt „richtig“ klingt. Der Raum präsentiert sich neuerdings ausgezeichnet geeignet für Kirchenkonzerte.
Pfeifenorgeln versuchen die menschliche Stimme nachzuahmen und zu verstärken. Der notwenige Wind strömt aus dem Blasebalg (Lunge) durch die Windkanäle (Luftröhre) in die Pfeifen und Zungen (Mund). Die Orgel will die Gemeinde zum Singen ermuntern und dabei begleiten.
Der Gekreuzigte
Den Namen des Künstlers, der ihn gestaltet hat, kennen wir nicht. Er verarbeitete in seinem Werk seine Erlebnisse in russischer Kriegsgefangenschaft. In der Darstellung am Kreuz begegnet uns das Fleisch gewordene Gotteswort. Indem Gott Mensch wird, schafft er die intensivste Begegnungsmöglichkeit.
Die Anordnung der Prinzipalstücke
Taufstein, Altar und Kanzel sind auf der Mittelachse auf das Kreuz hin angeordnet. Der Mensch gewordene Gott ist in seinem Wort und Sakrament mitten unter der Gemeinde, die sich seinetwegen versammelt. Hier begegnen sich Menschen und hier begegnen Menschen Gott. Gelingende Begegnung kann nur auf Augenhöhe geschehen. Deshalb gibt es kein Oben und kein Unten mehr, kein Vorne und kein Hinten. Durch Jesus hat Gott die Menschen zu seinem Gegenüber gemacht. Er traut uns zu, seine Sache weiterzuführen und seinen Weg weiterzugehen. Er gibt die Garantie, dass er uns dabei nicht alleine lässt. Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Hier in diesem Raum mitten unter uns! Diese Zusage Jesu kann für uns spürbar werden, wenn wir in dieser Kirche die Feste des Lebens feiern, die Taufe, die Konfirmation, Hochzeit, aber auch, wenn wir Abschied nehmen müssen von einem geliebten Menschen, nicht wissen, wie wir ohne ihn leben sollen, und doch langsam und leise, Schritt für Schritt wieder zurück ins Leben finden. Weil Jesus Christus jeden Schritt mitgeht und uns trägt. Oder wenn wir in der Kirchengemeinde merken, dass wir einen Konflikt lösen können, wenn wir wirklich miteinander reden, einander Schuld vergeben können, wie Christus uns unsere Schuld vergibt. Christus ist bei uns und unter uns. Aber gleichzeitig ist er größer und mächtiger als unsere Vorstellungskraft. Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen, wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe so beschreibt das Tempelweihgebet des Königs Salomo die Größe Gottes. Alles menschliche Tun kann immer nur einen Abglanz Gottes darstellen. Es kann Zeichen der machtvollen Gegenwart Gottes sein, aber Gott übersteigt alle menschliche Vorstellungskraft. Er bleibt der ganz andere.
Mitten im Ort steht unsere alte junge Kirche, mitten im Leben der Menschen unserer Gemeinde. Unter den Gedenktafeln für die gefallenen Soldaten der Weltkriege, in der Krabbelecke für unsere jüngsten Gottesdienstbesucher, warten die Kirchenenten David und Jonathan auf kleine Gäste. Hier wird gespielt und gemalt, Bibelbilderbücher liegen zum Anschauen bereit. Eltern können ihre Kinder mitbringen, ohne Angst haben zu müssen, dass sie stören. In unserer Kirche verbinden sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Jesus Christus bleibt seiner Gemeinde und seiner Kirche treu, das ist die Garantie, die er uns schenkt. Das Schriftwort aus dem Johannesevangelium Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei. steht an der rückwärtigen Wand.
Mit dieser Freiheit kann unsere Gemeinde auch heute, 150 Jahre nach der Einweihung ihrer Kirche, fröhlich ihren Weg durch die Zeit gehen. In der Freiheit der Kinder Gottes lässt sich gut leben.